Ein Start-Up aus Singapur hat einen neuartigen Schnelltest zum Nachweis des Coronavirus präsentiert. Der Test findet auf einem Chip statt.

Die Zahl der Menschen, die mit dem neuartigen Coronavirus infiziert sind, steigt weiter. Die Viren können schwere Lungenentzündungen hervorrufen, die im schlimmsten Fall zum Tod führen. Bis zum Erscheinen dieses Textes wurden in Deutschland vier Infektionen bestätigt. Weltweit sollen 7.700 Menschen erkrankt und 170 an den Folgen gestorben sein (aktuelle Zahlen gibt es hier). Die Forschung für eine Impfung läuft auf Hochtouren. Immerhin gibt es schon Diagnoseverfahren. Ein Test der Berliner Charité ist seit Mitte Januar verfügbar. Bislang war es erforderlich, Abstriche zur Diagnose ans Labor der Charité zu senden. Labore können Überprüfungen auch dort anfordern, was aber einige Zeit dauern kann. Solche Tests sind erforderlich, weil die Analyse der Symptome für eine Diagnose der Lungenkrankheit nicht ausreicht. Federführend ist hier das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) unter der Leitung des Charité-Professors Christian Drosten. Es entwickelte bereits Zika-Virus-Tests und hat den weltweit verwendeten Standardtest zum Nachweis des MERS-Erregers („Middle East Respiratory Syndrome“) geschaffen. Drosten hat im Jahr 2003 den SARS-Erreger („Severe Acute Respiratory Syndrome“) mit entdeckt und auch für dieses pandemische Virus den ersten Diagnostiktest zur Verfügung gestellt.

Erfahrungen mit Influenza-Viren

Nun tritt ein weiterer Player auf den Markt: Das 2003 gegründete Biotech-Unternehmen Veredus Laboratories aus Singapur verfügt über jahrelange Erfahrung mit sogenannten „Labs on Chips“ (LOC). Schon 2008 präsentierte das molekulardiagnostische Labor zusammen mit dem niederländischen Unternehmen STMicroelectronics den nach eigenen Angaben weltweit ersten Chip zur Identifizierung von Influenza-Stämmen innerhalb von zwei Stunden, einschließlich des tödlichen H5N1. Ein ganzes Labor auf einem Chip: Das Testkit VereCov des Biotech-Unternehmens Veredus aus Singapur. Ähnlich soll auch das neue Testkit „VereCoV“ funktionieren. Es soll nach Angaben des Herstellers in einem einzigen Test die Viren MERS-CoV, SARS-CoV und das aktuelle 2019-nCoV-Virus, also das Coronavirus identifizieren und unterscheiden können. Der Chip liefere Ergebnisse nach zweieinhalb Stunden, heißt es in einer Produktpräsentation.

Biosensoren erkennen geringste Spuren

Dabei wendet die Technologie zwei Verfahren an, die sogenannten Polymerase-Kettenraktion (PCR) und Microarray. Dabei handelt es sich um Verfahren zur künstlichen Vervielfältigung von Abschnitten der DNA mit Wärme, das etwa auch bei Vaterschaftstests angewandt wird, und zu deren gleichzeitiger Analyse. Dadurch wird es möglich, kleinste Mengen von DNA-Information auszulesen.

Die im Chip enthaltenen miniaturisierten Biosensoren sollen die Funktionalität eines ganzen Labors bieten. Solche „Labs on a Chip“ sind auf einer Folie von der Größe einer halben Kreditkarte untergebracht, sie können kostengünstig produziert werden und sind leicht zu transportieren.

Zertifizierbarkeit des Tests fraglich

Eigentlich sollte das neuartige Testkit irgendwann im ersten Quartal 2020 auf den Markt kommen. Doch angesichts der schnellen Ausbreitung des Coronavirus hat Veredus die Produktion beschleunigt. Wie das Unternehmen mitteilt, soll der Test nun schon im Februar erhältlich sein.

So interessant die neue Technologie auch scheint – fraglich bleibt, ob VereCov in den USA, Europa und Deutschland überhaupt zertifizierbar ist. Gleichwohl unterstreicht das Unternehmen auf Anfrage von Gründerszene, es strebe eine globale Markteinführung an. Die Veredus Labs verweisen dabei auf ihre ISO-Zertifizierung für Medizinprodukte (ISO 13485). Das ist eine Norm, die Risiko- und Qualitätsmanagement bescheinigt. Die Hürden für ein Produkt, gemäß dem deutschen Medizinprodukte-Gesetz zugelassen zu werden, sind aber höher. Dazu ist nach europäischem Recht ein so genanntes CE-Kennzeichen erforderlich, das von einer Zertifizierungsstelle nach entsprechender Prüfung erteilt wird. „Die Hauptherausforderung bei solchen Vorhaben liegen in Zulassungsfragen“, heißt es von einem deutschen Startup, das diesen Prozess schon erfolgreich durchlaufen hat.

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Chip-Labore verändern das Gesundheitswesen

Ungeachtet dessen gewinnen diagnostische LOC-Anwendungen im Gesundheitswesen immer mehr an Bedeutung. „So können Leistungen, die früher zum Beispiel in einem klinischen Labor, stationär oder in Facharztpraxen durchgeführt werden mussten, künftig möglicherweise beim Hausarzt oder sogar durch Selbstanwendung durchgeführt werden“, schrieb Silke Schmidt, eine Professorin für Gesundheit und Prävention, schon 2014 im Deutschen Ärzteblatt.

Sie definiert Rahmenbedingungen für die neue Technologie: Vor allem die Erfüllung technischer Gütekriterien, dann aber auch eine Versorgungs- und Zugangsgerechtigkeit für solche Labs on Chips“. Und schließlich müssten „das Potenzial und das Risiko von LOC-Anwendungen“ gegeneinander abgewogen werden.

Einige Startups in Deutschland arbeiten schon mit Labs-on-Chip-Lösungen. Zuletzt berichtete Gründerszene über die Anwendung von Spindiag. Das Freiburger Startup hat ein Analysetool für multiresistente Krankenhauskeime entwickelt. Forschern in München ist es gelungen, einen Chip mit einem Microarray-Schnelltest für Legionellen zu entwickeln. Das Biotech-Startup Tissuse etwa geht einige Schritte weiter und arbeitet an miniaturisierten Konstrukten, die die Aktivität menschlicher Organe in ihrem wahren physiologischen Kontext auf kleinstmöglichem Maßstab simulieren.

Anwendungen mit Lab-on-Chip-Technologien werden das Gesundheitssystem verändern, den Patienten stärker in den Mittelpunkt stellen und mehr Menschen Zugang zu medizinischer Hilfe verschaffen.

Quelle: Jürgen Stüber, Gründerszene