Handelsblatt.com vom 29.07.2022

Unternehmen Mittelstand Familienunternehmer
Daniel Mark

Das Freiburger Unternehmen führt sein Corona-Testsystem in weiteren europäischen Märkten ein und arbeitet an
neuen Produkten zur schnellen Analyse verschiedener Viren und Bakterien.

Die Coronapandemie hat dem Diagnostik-Start-up Spindiag kräftigen Rückenwind gegeben. Denn es hat das klassische
PCR-Verfahren (Polymerase-Kettenreaktion), wie es im Labor angewandt wird, weiterentwickelt: Sein mobiles Minilabor liefert
den Nachweis einer Sars-CoV-2-Infektion bereits innerhalb von 40 Minuten.

Die Nachfrage nach dem Produkt für Covid-19-Schnelltests steigt rasant. Nun wollen die Freiburger in Europa expandieren. Im
Mai startete das Unternehmen bereits den Direktvertrieb in Österreich, jetzt steht der Markteintritt in der Schweiz an.

“Die Coronapandemie war ein absoluter Beschleuniger für uns”, sagt Spindiag-Mitgründer und CEO Daniel Mark. Das 2016
gegründete Start-up war ursprünglich mit der Entwicklung eines Diagnostiksystems zur Ermittlung multiresistenter Erreger
gestartet. Mit Beginn der Coronakrise hatte sich das Team auf die Entwicklung eines Sars-CoV-2-Schnelltests für sein
Minilabor konzentriert.

Das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg unterstützte das Vorhaben mit sechs Millionen Euro. Im November 2020
erhielten die Freiburger in Europa die Zulassung für ihren Covid-19-Test. Das Spindiag-System namens Rhonda wird laut
Mark mittlerweile in mehr als 100 deutschen Krankenhäusern eingesetzt.

PCR-basierte Testverfahren gelten als Goldstandard in der Infektionsdiagnostik, denn mit ihnen lässt sich die Erbinformation
und damit das Sars-CoV-2 Virus in der Abstrichprobe einer Person direkt und sensitiv nachweisen. “So können
Krankenhäuser zuverlässig und schnell entscheiden, ob der Patient frei von einer Coronainfektion ist und ohne Isolation ins
Krankenhaus aufgenommen werden kann”, sagt der 42-jährige Physiker.

Hunderttausende von Tests im Klinikum Stuttgart
Dafür müssen Abstrichproben aus Nase und Rachen direkt in eine mit Reagenzien gefüllte Testkartusche eingegeben werden.
Ähnlich wie eine CD wird die Kartusche anschließend in das schuhkartongroße Analysegerät eingeführt.

Das Gerät kann zwei Kartuschen gleichzeitig analysieren, was Kapazitäten von etwa 60 Tests pro Gerät und Tag ermöglicht.
Testergebnisse können direkt am Gerät abgelesen und – falls erforderlich – auch digital übertragen werden.

Das Klinikum Stuttgart gehörte zu den ersten Krankenhäusern, bei denen das Rhonda-System von Spindiag zum Einsatz kam.
Das größte Krankenhaus der Maximalversorgung in Baden-Württemberg hat in der Coronapandemie viele Patienten versorgt
und bisher fast 500.000 PCR-Analysen auf das Sars-Cov-2-Virus durchgeführt.

Auf Spindiag entfiel dabei ein kleiner, aber kritischer Anteil in der Diagnostik vor Ort, wie der Klinikum-Vorstandsvorsitzende
Jan Steffen Jürgensen sagt: “Kritisch kranke Notfallpatienten mit unklarem Infektstatus wurden unmittelbar mit Beginn der
Versorgung in der Notaufnahme oder im OP getestet. Mit der sehr schnellen und validen Verfügbarkeit der Ergebnisse
konnten dann die hygienischen Vorsichtmaßnahmen prompt getroffen werden.”

Und die im Falle einer Infektion notwendige Therapie konnte sofort beginnen. “Die Analysen sind schnell, valide und
anwenderfreundlich”, bewertet der Klinikleiter das Spindiag-System, sieht aber den Nachteil, dass die Analysen noch relativ
teuer sind.

Allein die Materialkosten für den Test liegen bei 38,60 Euro pro Test. Zum Vergleich: Ein PCR-Test in Krankenhäusern wird
seit dem 1. Juli mit 37,80 Euro vergütet. Darin enthalten sind 27,30 Euro für die Laborleistung, zehn Euro für die
Personalkosten des Krankenhauses sowie 50 Cent für sonstige Materialkosten.

Check auf viele Erreger in kurzer Zeitspanne
Zudem biete Spindiag noch nicht wie andere Anbieter die Möglichkeit, anhand einer Probe auf das Vorhandensein
verschiedener Erreger zu testen, merkt Jürgensen weiterhin an. Das will das Freiburger Unternehmen aber ändern. Ende Mai
erhielt Spindiag bereits die Zulassung (CE-IVD-Konformität) für zwei weitere Tests: Mit einer Testkassette kann das
medizinische Personal nun in weniger als einer Stunde vier Erreger für Atemwegserkrankungen gleichzeitig testen.

So lässt sich leicht feststellen, ob der Patient eine Grippe (Influenza), Covid-19 oder das Respiratorische Synzytial Virus (RS)
hat. Das RS-Virus hatte vergangenen Herbst für überproportional viele Erkrankungen bei kleinen Kindern gesorgt. Ein anderer
Test weist das gefährliche Bakterium MRSA (Methicillin-resistentes Staphylococcus aureus) nach. Dieser Krankenhauskeim ist
für viele schwerwiegende Infektionen verantwortlich, die nur schwer zu behandeln sind.

Spindiag wurde bereits mit einigen Gründerpreisen ausgezeichnet, darunter 2016 den Health-i-Award von Handelsblatt und
Techniker Krankenkasse. Aktuelle Umsatzzahlen nennt Spindiag nicht. Aber die Dynamik zeigt sich im Mitarbeiterwachstum:
Aus dem Team der sieben Gründer, allesamt Ingenieure und Physiker, ist mittlerweile eine Mannschaft von mehr als 100
Beschäftigten geworden.

Auch Privatinvestoren involviert
Seit der Gründung erhielt das Unternehmen im Rahmen von vier Finanzierungsrunden insgesamt 24,9 Millionen Euro zur
Produktentwicklung und Vorbereitung des Markteintritts. Zudem gab es Wandeldarlehen der Gesellschafter, die nicht
offengelegt sind.

Größter Anteilseigner mit knapp 23 Prozent ist die Elber Beteiligungsgesellschaft. Sie ist die Industrieholding der
Regensburger Immobiliengruppe von Johann Vielbarth und auch an dem Automobilzulieferer Alfmeier beteiligt. Dessen
Tochterunternehmen RKT wiederum stellt die Testkartuschen für Spindiag her.

Außerdem hält der Privatinvestor Werner Geissler, ein ehemaliger Procter-&-Gamble-Manager, mehr als 20 Prozent. Geissler
ist einer der Investoren der ersten Stunde. Darüber hinaus ist neben den Firmengründern und weiteren Privatinvestoren der
auf den Gesundheitsbereich spezialisierte Investor Think Health beteiligt.

Aktuell plant Spindiag eine neue Finanzierungsrunde, um das Wachstum insbesondere im europäischen Ausland zu
finanzieren. “Ein Börsengang ist für uns derzeit kein Thema”, sagt Mark.

Verbesserung des Ursprungsprodukts
Auf der Produktseite arbeitet das Unternehmen daran, eine Testkassette vorzubereiten, die gleichzeitig eine große Anzahl
verschiedenster Viren, Erreger und Antibiotika-Resistenzen nachweisen kann.

“Wir wollen unter anderem ein Testsystem entwickeln, das 20 bis 30 Viren, Bakterien und Antibiotika-Resistenzen gleichzeitig
nachweisen kann. Und zwar möglichst in weniger als einer Stunde”, sagt Mark. “Wir hoffen, das Produkt im nächsten Jahr zur
Zulassung einreichen zu können.”

Telgheder, Maike

Quelle: Handelsblatt.com vom 29.07.2022
Rubrik: Unternehmen Mittelstand Familienunternehmer
Dokumentnummer: HB_28539604

Dauerhafte Adresse des Dokuments: https://archiv.handelsblatt.com/document/HBON__HB_28539604
Alle Rechte vorbehalten: (c) Handelsblatt GmbH – Zum Erwerb weitergehender Rechte:
nutzungsrechte@handelsblattgroup.com

© GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH